Der Weg zu einer globalen CO2-Abgabe

Der Klimazoll kommt.


Die Übergangsphase für den CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU hat begonnen. In diesem Artikel erfährst du die wichtigsten Hintergründe und Zusammenhänge.


Was ist der EU-Klimazoll?


Der Klimazoll wird ab 2026 an der EU-Grenze auf bestimmte Importe erhoben. Er betrifft Produkte, die außerhalb der EU ohne CO2-Preis und damit günstiger hergestellt werden. Die Einfuhr dieser Produkte wird künftig teurer.


Grundlage für den CO2-Preis sind die damit verbundenen CO2-Emissionen. Der Preis pro CBAM-Zertifikat basiert auf dem durchschnittlichen Wochenpreis für EU-Emissionszertifikate (EU-ETS). Dazu gleich mehr.


Im Fachjargon firmiert die Maßnahme unter dem Begriff “Carbon Border Adjustment Mechanism" oder kurz CBAM.


Der CO2-Ausgleich ist ein wichtiger Teil des Fit für 55”-Pakets der EU. Die Maßnahmen sollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 55% im Vergleich zu 2019 reduzieren.


CBAM: Was ist der Hintergedanke?


Solange die EU nur die CO2-Emissionen von EU-Unternehmen bepreist (im Rahmen des bisherigen Emissionshandels), haben außereuropäische Wettbewerber einen großen Vorteil. Der neue Klimazoll soll das ändern.


Zudem soll CBAM Produzenten aus Nicht-EU-Staaten zu Emissionssenkungen motivieren. Denn so könnten sie künftig günstiger in die EU importieren und somit Kosten sparen.


Ein Schlüsselbegriff ist Carbon Leakage.


Carbon Leakage tritt dann auf, wenn einzelne Akteure (wie die EU) mit Klimaschutzmaßnahmen vorangehen. Dadurch entsteht für Unternehmen der Anreiz, das Geschäft in Länder ohne CO2-Bepreisung zu verlagern und von dort günstigere Importe zu beziehen. Das konterkariert den Klimaschutzgedanken, denn die Emissionen verlagern sich lediglich ins außereuropäische Ausland.


Global einheitliche Regelungen wären die Ideallösung, doch sie sind noch weit weg. Zu unterschiedlich sind die Staaten, Regionen und Ziele der Regierungen.

Hintergrund: Der Europäische Emissionshandel


Der Europäische Emissionshandel (EU Emissions Trading System oder kurz EU-ETS) ist seit 2005 DAS Klimaschutzinstrument der EU. Es soll den Ausstoß von Treibhausgasen auf marktwirtschaftlicher Basis reduzieren.


Das Grundprinzip: Unternehmen müssen ETS-Zertifikate kaufen, um ihre Treibhausemissionen auszugleichen.


Der Anreiz: Je stärker ein Unternehmen seine Emissionen reduziert, desto weniger Zertifikate muss es kaufen. Im Gegenteil, es kann seine überflüssigen Zertifikate dann an andere Marktteilnehmer verkaufen.


Der Emissionshandel deckt derzeit ca. 45 % aller Treibhausgasemissionen in der EU ab. Das ETS ist eines von über 25 regionalen Emissionshandelssystemen weltweit. Derzeit erfassen alle Systeme gemeinsam etwa 15 % der weltweiten Emissionen.


Emissionshandel und Klimazoll: Das Problem mit den Ausnahmen


Allerdings gibt es einen Haken:


Bisher erhielten Unternehmen in energieintensiven Sektoren
kostenlose EU-ETS-Zertifikate, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.


Diese Verteilung wird nun schrittweise reduziert. Ohne den CO2-Ausgleich besteht ein großer Anreiz, die CO2-Emissionen einfach ins außereuropäische Ausland zu verlagern.


Aus diesem Grund führt die EU eine
Carbon-Leakage-Liste. Auf dieser stehen energieintensive Branchen, für die das Risiko der CO2-Verlagerung besonders hoch ist. Sie erhalten kostenlose CO2-Zertifikate, um den Wettbewerbsnachteil ausgleichen zu können.


Dieses Vorgehen steht schon länger in der Kritik. Es schwächt die Effizienz des Emissionshandels und damit auch die Klimaschutzbemühungen. Es ist schwer vermittelbar, wenn ausgerechnet die größten Emittenten kaum Anreize zur Reduktion erhalten.  Aus dieser Sicht ist CBAM willkommen, da man diese Ausnahmeregelung beenden kann.


Kritik am Carbon Border Adjustment Mechanism


Es gibt aber auch viel Kritik, vor allem aus der Wirtschaft.


Zunächst sind Zölle generell mit Protektionismus verbunden und widersprechen insofern dem Selbstbild der EU als ein Zentrum des Freihandels und des Multilateralismus. Der Vorwurf ist, dass die EU unter dem Deckmantel des Klimaschutzes ihre Wirtschaft schützen will. Stichwort: “Green Protectionism”.


Staaten wie die USA, China und Russland haben bereits angedroht, dass sie den Klimazoll als unfaire Handelsbarriere betrachten und ihn als einen Grund für Gegenzölle ansehen könnten.


Einige Experten sind unsicher, ob der Klimazoll mit den Statuten der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar ist. Insbesondere das Nicht-Diskriminierungsgebot ist ein strittiger Punkt.

Der größte Kritikpunkt aber ist, dass der Klimazoll die eigene EU-Wirtschaft belaste, da er die Einfuhr von wichtigen Gütern zur Produktion verteuere. CBAM schaffe zwar Gleichheit für die Industrie, verschlechtere aber die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Sektoren, die auf Zulieferungen wie Stahl angewiesen sind. Gerade der Maschinenbau stöhnt. Diese Branche  muss Vorprodukte wie Bleche, Schrauben oder Federn aus Alu und Stahl importieren. All diese Produkte werden mit CBAM teurer.


Das Argument, dass der EU-Klimazoll Green-Tech-Unternehmen in Europa fördere, teilt nicht jeder. Der Wachstumsmarkt Green Tech könnte auch einfach von außereuropäischen Herstellern übernommen werden - unabhängig von der dortigen Klimapolitik.


Die Beschaffungskosten für industrielle Rohstoffe dürften steigen, womit ein Wettbewerbsnachteil im Export entstünde.


Die Quintessenz der Kritik: CBAM gleiche zwar gewisse internationale Wettbewerbsnachteile aus, schaffe aber gleichzeitig neue an anderer Stelle.


Klimakommunikation: So reagieren die Unternehmen auf CBAM


Laut einer
Deloitte-Umfrage unter 500 potenziell betroffenen Importeuren kannten 60% das Konzept CBAM überhaupt noch gar nicht.


Von denen, die CBAM kennen, erwarten 60% negative Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Nur 18% erwarten positive Auswirkungen.


Die Wirtschaft drängt die Politik dazu, möglichst weitreichende
Klimaklubs zu organisieren. Diese Staaten könnten dann gleiche Bedingungen für den Handel schaffen und den Klimaschutz effizienter gestalten.


CBAM: Viele offene Fragen


CBAM ist der weltweit erste Klimazoll seiner Art. Die EU betritt damit Neuland und es gibt noch viele offene Fragen, wie z.B.:


  • Wie soll man mit unterschiedlichen Produktionsmethoden umgehen?
  • Wie genau wird der CO2-Fußabdruck von Produkten gemessen?
  • Welche Produkte sollten unter den Zoll fallen?
  • Welche Stufen der Herstellung sollen für die Berechnung gelten?
  • Auf welcher Grundlage werden die Emissionsintensitäten berechnet?


Gerade der Bereich der Emissionserfassung ist kompliziert.


Welche Bereiche betrifft der Klimazoll?


Der Zoll gilt nicht auf alle Produkte, sondern zunächst nur auf bestimmte Bereiche:


  • Zement
  • Strom
  • Düngemittel
  • Wasserstoff
  • Eisen und Stahl (inklusive bestimmter Produkte, z.B. Rohre, Konstruktionen, Sammelbehälter, Fässer oder Schrauben)
  • Aluminium (inklusive bestimmter Produkte, z.B. Rohre, Konstruktionen, Sammelbehälter, Fässer oder Schrauben)


Ab 2026 können Importeure diese Waren nur noch einführen, wenn sie CBAM-Zertifikate kaufen.


CBAM: Was müssen Firmen melden?


Seit Oktober 2023 läuft die Übergangsphase mit einer Melde- und Erfassungspflicht für Unternehmen. Der erste Quartalsbericht ist zum 1.1. 2024 fällig.

 

Unter anderem muss dieser Bericht folgende Informationen enthalten:


  • Menge der eingeführten Waren
  • Aufschlüsselung nach Anlagen
  • Angaben zu Ursprungsland und CO2-Preis
  • Angaben zu grauen Emissionen


Was sind graue Emissionen?


"Graue Emissionen" beziehen sich auf
indirekte Treibhausgasemissionen, die während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts, einschließlich Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung, entstehen.


Sie gelten als schwer zu quantifizieren, da sie über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts verteilt sind und von vielen schwer zu überwachenden Faktoren beeinflusst werden. Dies kann zu Unsicherheiten in den Emissionsdaten führen.


FAZIT:


Der CO2-Ausgleichsmechanimus ist der nächste Entwicklungsschritt des EU-Emissionshandels. 


Experten sind sich einig, dass ein
global einheitlicher CO2-Preis die optimale Lösung wäre, doch ein solcher scheint derzeit noch utopisch. Gelingt es der Politik jedoch, möglichst weitreichende, überregionale Klimaklubs zu gründen und gleiche Bedingungen zu schaffen, könnte dies den Klimaschutz durchaus voranbringen.


In Sachen CBAM ist ein Großteil der Wirtschaft momentan noch skeptisch. Die Zeit wird zeigen, ob sich der Klimazoll bewährt. Dafür wird er nicht nur Emissionsreduktionen anstößen müssen, sondern darf vor allem auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen nicht gefährden.


Das Schlusswort überlassen wir diesmal dem berühmten Aphoristiker Karl Kraus:


“Gedanken sind zollfrei. Aber man hat doch Scherereien.”


___


PS: Das Thema CBAM/Klimazoll ist für dein Unternehmen relevant und du bist auf der Suche nach Unterstützung? Schreib mir!


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Bildquellen:


Titelbild: © Niklas9416 auf Pixabay

Fabrik/Emissionen: © digifly840 auf Pixabay

Grafiken: © materrr communications

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